Darf Gott in einer Verfassung stehen?
Wir leben in einem säkularen Staat. Für alle, die nicht (oder nicht mehr) wissen was das ist:
Unter Säkularismus versteht man eine aus der Säkularisierung (mentaler Prozess der Trennung von Religion und Staat) und der Säkularisation (konkreter Prozess der Ablösung der weltlichen Macht religiöser Institutionen) erwachsene Weltanschauung, die sich auf die Immanenz und Verweltlichung der Gesellschaft beschränkt und auf darüber hinausgehende Fragen verzichtet.
Auf Stammtischdeutsch heißt das: Religion (Kirche) und weltlicher Staat sind getrennt. Und zwar richtig getrennt. Die Kirche sollte sich also nicht in weltliche, politische Dinge einmischen. Dagegen darf der Staat sich sehr wohl in kirchliche Belange einmischen. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein solcher "säkularer Staat" mit deutlicher Trennung zwischen Kirche (Religion) und Staat. Oder doch nicht?
Das Vorwort (Präambel) unserer Verfassung lautet gleich im ersten Satz:
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen
In einem eigenen Artikel auf Wikipedia (hier) wird erklärt, warum das so ist. Und dass sich sogar Theologen gegen diesen Satz gewehrt haben. Erfolglos. In der Verfassung der Europäischen Union übrigens gibt es keinen Gottesbezug. Was auch nicht ohne entsprechende Kritik blieb.
Gott in den Verfassungen der Länder
Ich habe mich gefragt, wie es in den Verfassungen der einzelnen Länder aussieht. Gibt es in den Verfassungen der Länder einen Gottesbezug? Und wenn ja, wo und warum? Aber lesen Sie selbst, Sie werden staunen. Ich habe die Amtseide zum Teil weggelassen, denn die enden immer auf "So wahr mir Gott helfe", der Satz kann aber weggelassen werden.
Verfassung des Landes Baden
Präambel
Im Vertrauen auf Gott hat sich das badische Volk, […]Art. 26
Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, in der Liebe zu Volk und Heimat […] zu erziehen.
Verfassung des Landes Baden-Württemberg
Präambel
Im Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen […]Artikel 12
Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe […] zu erziehen.
Verfassung des Freistaates Bayern
Präambel
Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott […]Artikel 131
Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung […]
Verfassung des Landes Niedersachsen
Präambel
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott […]
Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen
Präambel
In Verantwortung vor Gott und den Menschen […]Artikel 7
Ehrfurcht vor Gott, […], ist vornehmstes Ziel der Erziehung.Artikel 25
Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage werden als Tage der Gottesverehrung, der seelischen Erhebung, der körperlichen Erholung und der Arbeitsruhe anerkannt und gesetzlich geschützt.
Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz
Präambel
Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott, dem Urgrund des Rechts und Schöpfer aller menschlichen Gemeinschaft […]Artikel 33
Die Schule hat die Jugend zur Gottesfurcht […] zu erziehenArtikel 100
Der Ministerpräsident und die Minister leisten bei ihrem Amtsantritt vor dem Landtag folgenden Eid: "Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, […], so wahr mir Gott helfe."
Verfassung des Saarlandes
Präambel
[…] und in Ehrfurcht vor Gott dem Frieden der Welt zu dienen […]Artikel 30
Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe […] zu erziehen."
Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt
Präambel
Dies geschieht in Achtung der Verantwortung vor Gott […]
Verfassung des Landes Thüringen
Präambel
[…] auch in Verantwortung vor Gott […]
Verfassung des Landes Baden Württemberg
Präambel
[…] Im Bewußtsein der Verantwortung vor Gott […]Artikel 36
Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe […] zu erziehen.
Wie säkular sind wir denn?
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